Die steigende Bedeutung von ESG für Mergers & Acquisitions

Da Verbraucher:innen beim Kauf von Waren und Dienstleistungen zunehmend Nachhaltigkeit sowie ökologische und soziale Aspekte in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen, passt sich auch die Geschäftswelt den veränderten Prinzipien an. Wenngleich diese Forderung zunächst von den Verbraucher:innen ausging, denken allmählich auch immer mehr Unternehmen über die Auswirkungen ihrer unternehmerischen Tätigkeiten nach. Unternehmen begannen ihre Aktivitäten unter den Aspekten von Corporate Social Responsibility (CSR) zu betrachten, mit der sie ein „guter Bürger“ der Gesamtgesellschaft sein wollen. CSR umfasst die Beurteilung der Auswirkungen von Aktivitäten auf “alle Aspekte der Gesellschaft inklusive ökonomischer, sozialer und umwelttechnischer” (Fernando, 2021). In den letzten Jahren werden diese Überlegungen zunehmend nicht nur bei der Bewertung von Unternehmenstätigkeiten, sondern auch bei Investitionsentscheidungen herangezogen. Verbraucher:innen und Unternehmen suchen nach einer Möglichkeit, bewusst in sozial verantwortliche Unternehmen zu investieren. Um diesen Trend zu unterstützen, wurde eine Reihe von Standards entwickelt, die ein Screening von Investitionsmöglichkeiten ermöglichen. Die Kriterien sind in die Kategorien Umwelt, Soziales und Governance (environment, social and governance – ESG) eingeteilt und bewerten die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Stakeholder:innen, die im Unternehmen praktizierte Führung, Audits sowie interne Kontrollen und wie sich das Unternehmen gegenüber der Natur verhält (vgl. The Investopedia Team, 2021).

Hieraus stellt sich nun die Frage, ob Vorteile durch die Einbeziehung von ESG-Kriterien in die Entscheidungsfindung bei Fusionen und Akquisitionen, den wichtigsten Investitionstätigkeiten eines Unternehmens, entstehen oder ob die derzeitigen Standards beibehalten werden sollten?

Die Einbeziehung von Ratings wie ESG in die Entscheidungsfindung bei Fusionen und Akquisitionen wird mit der Stakeholder-Theorie in Verbindung gebracht, bei der Manager “die Interessen aller Stakeholder eines Unternehmens einbeziehen und nicht nur finanzielle abhängige Personen, sondern alle von den Auswirkungen der Unternehmensentscheidungen betroffenen Personen” berücksichtigen (Piperni, 2020). Fusionen und Akquisitionen stehen besonders auf dem Prüfstand, “da Erfolg besonders durch die Zustimmung und Unterstützung verschiedenster Stakeholder Griuppen abhängig ist” (Swiatkowski & Frey, 2021). Dies steht im Gegensatz zur Shareholder-Theorie, bei der ausschließlich die Gewinnmaximierung des Unternehmens im Vordergrund steht (vgl. Piperni, 2020).

Da immer mehr Unternehmen zu einem ganzheitlicheren Ansatz in Bezug auf Nachhaltigkeit und Inklusion übergehen, wird erwartet, dass die Bedeutung von ESG weiter zunimmt und der Fokus der Anleger:innen dahingehend intensiviert wird. Investmentgesellschaften und Geldgeber:innen sind zunehmend besorgt, insbesondere über Umweltfaktoren (vgl. Franklin, 2021), da der Druck von externen Gruppen und Regierungen, in dieser Kategorie verantwortungsbewusst zu handeln, angesichts des beschleunigten Klimawandels und der daraus resultierenden Naturkatastrophen wächst. In Umfragen wurde festgestellt, dass inzwischen 70 % der Unternehmen über eine ESG-Politik verfügen, die meist auf dem Wunsch beruht, das Richtige zu tun, auch wenn es nach wie vor unwahrscheinlich ist, dass Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen einen Deal gänzlich verhindern (vgl. Franklin, 2021).

Der Vorteil der Einbeziehung der ESG-Bewertung in den Due-Diligence-Prozess besteht darin, dass die Unternehmen versteckte Risiken erkennen und ihre Bewertung entsprechend anpassen können (vgl. Piperni, 2020). Dadurch können die Informationsasymmetrie verringert sowie die Transparenz erhöht werden, was im Ergebnis wiederum die Post-M&A-Leistung verbessern (vgl. Feng, 2021).

In einigen Sektoren (z. B. Versorgungsunternehmen, Bergbau und Energie) sind ESG-Faktoren bereits seit einigen Jahren relevant (vgl. Piperni, 2020), da die Unternehmen in diesen Sektoren hinsichtlich ihrer allgemeinen Geschäftstätigkeit und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt einer umfassenden Prüfung unterzogen werden.

Die erhöhte Transparenz und die verringerten Risiken durch die Einbeziehung von ESG-Ratings wirken sich auch auf die gezahlten Preise und die Auswahl der Zielunternehmen/Käufer bei M&A-Aktivitäten aus. Die Forschung bestätigt die Annahme, dass Bietende ein höheres ESG-Engagement von Zielunternehmen positiv bewerten, da eine positive Korrelation zwischen der ESG-Leistung des Zielunternehmens und der Übernahmeprämie festgestellt werden kann (vgl. Pettinari, 2020) (vgl. Ung & Urfe, 2021). Darüber hinaus können Unternehmen ihr eigenes ESG-Rating verbessern, indem sie durch den Zusammenschluss mit einem Partner mit hohem ESG-Rating ESG-bezogene Fähigkeiten wie Wissen, Kultur, Reputation und Stakeholder-Beziehungen gewinnen und aufwerten (vgl. Ung & Urfe, 2021). Dies zeigt, dass allein die Verbesserung des ESG-Ratings selbst ein Motiv für die Übernahme eines Unternehmens mit hohem Rating sein könnte (vgl. Ung & Urfe, 2021). Übernahmen mit Unternehmen, die ein hohes ESG-Rating aufweisen, stoßen bei allen betroffenen Stakeholder:innen auf größere Unterstützung (Swiatkowski & Frey, 2021). Dies gilt sogar für den Fall eines feindlichen Übernahmeversuchs, da “die Stakeholders des Target Unternehmenstarget firms’ stakeholders are less likely to oppose the acquisition because of the potential increased reputation of the combined entity”, sollte die Übernahme durch einen sozial verantwortlichen Erwerbenden erfolgen (Piperni, 2020).

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Studien zeigen jedoch auch, dass nicht nur die Prämien von ESG-Ratings beeinflusst werden, sondern auch die Leistung des Target- und des Käuferunternehmens. Es wurde festgestellt, dass Käufer mit hohen ESG-Ratings langfristig von höheren Aktienrenditen profitieren und im Durchschnitt positive und signifikante Ankündigungsrenditen im Vergleich zu Käufern mit niedrigen ESG-Ratings haben (vgl. Piperni, 2020).

Darüber hinaus spielt der Unterschied in den ESG-Ratings zwischen den fusionierenden Unternehmen eine bedeutende Rolle bei den durch die Transaktion realisierten Wertsteigerungen. Insbesondere der “Grad der Einheitlichkeit in Bezug auf ESG zwischen dem Käufer und dem Target Unternehmen ist ein potenzieller Treiber von Leistung” (Piperni, 2020). Obwohl, wie bereits gezeigt, Unternehmen von Deals mit einem Partner mit hohem ESG-Rating profitieren, führt eine größere Unähnlichkeit von ESG-Ratings und Unternehmenskulturen zwischen Käufern und Target Unternehmen zu deutlich niedrigeren Renditen (vgl. Swiatkowski & Frey, 2021). Kulturelle Unterschiede zwischen Unternehmen wirken sich somit auch auf die umgesetzten ESG-Strategien aus und stellen ein erhebliches Risiko für das Scheitern von Transaktionen dar, insbesondere bei der Performance während der Post-Merger-Integration. Der Markt stellt sich auf die erhöhten Risiken von M&A-Aktivitäten zwischen kulturell distanzierten Unternehmen ein, indem er die Deal-Prämien und das wahrgenommene Synergiepotenzial reduziert (vgl. Swiatkowski & Frey, 2021). Dies wird durch Forschungsergebnisse unterstützt, die besagen, dass M&A-Aktivitäten zwischen Unternehmen, die sich in Bezug auf Kultur und ESG-Rating ähneln, im Durchschnitt signifikant höhere Renditen aufweisen (vgl. Swiatkowski & Frey, 2021). Daher sollten Unternehmen je nach den gewünschten Ergebnissen der Akquisition nach einem Akquisitionsziel mit dem passenden ESG-Rating und Grundsätzen suchen, um die Renditen und die aus den Fähigkeiten der Geschäftspartner gewonnenen Werte zu optimieren.

Abschließend lässt sich sagen, dass ESG-Ratings ein hilfreiches Instrument sein können, “da diese als systematische und quantitative Bewertung der CSR Praktiken und deren Auswirkung gesehen werden können” (Chen, 2021). Der derzeitige Trend, dass sich die Anleger:innen verstärkt auf ESG-Ratings konzentrieren, wird sich wahrscheinlich auch in Zukunft fortsetzen. Die Ergebnisse der Studien haben gezeigt, dass Ratings für mehr Transparenz sorgen und dadurch die Risiken aufgrund der geringeren Informationsasymmetrie bei Fusionen und Akquisitionen verringern. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Unternehmen ihr eigenes ESG-Rating und das des Zielunternehmens berücksichtigen sollten, da höhere Unternehmensratings nicht immer zu höheren Renditen führen, sondern die Wahl des Target Unternehmens mit strategisch passenden ESG-Rating den größten Nutzen bietet.

Auf der Grundlage dieser Forschungsergebnisse und unserer Erfahrung raten wir Unternehmen daher, ESG-Ratings und entsprechende Überlegungen frühzeitig in ihre M&A-Aktivitäten einzubeziehen. Am besten ist es, sich über die strategischen Ziele der geplanten Transaktion Gedanken zu machen und die Screening-Kriterien für Targets oder potenzielle Akquisiteur:innen an den ESG-Bedürfnissen auszurichten. Wir unterstützen viele Kund:innen bei der strategischen Auswahl des richtigen Ansatzes für ihre M&A-Aktivitäten, um die größten Erträge aus den angestrebten Transaktionen zu erzielen.

*Zitate wurde zur Verbesserung der Lesbarkeit des Textes frei übersetzt – originale Zitate in der englischen Version des Textes

Chen, R. L. (2021). Bang for Your (Green) Buck: The Effects of ESG Risk on US M&A Performance. Durham: Duke University.

Feng, X. (2021, August 17). The role of ESG in acquirers‘ performance change after M&A deals. Green Finance, 3(3), 287-318.

Fernando, J. (2021, September 04). Corporate Social Responsibility (CSR). Retrieved from Investopedia: https://www.investopedia.com/terms/c/corp-social-responsibility.asp

Franklin, J. (2021). ESG set to take larger role in M&A in 2020. International Financial Law Review.

Pettinari, N. (2020). Sustainable M&A: The value of ESG. Do bidders prefer to acquire or create sustainability? LUISS.

Piperni, C. (2020). Does ESG Affect Shareholder Value Creation? Evidence From The M&A Market. LUISS.

Swiatkowski, J., & Frey, F. (2021). Short-term Wealth Effects of Corporate Social Responsibility? – Empirical Evidence from ESG Ratings of Firms Involved in M&A Transactions. SSRN.

The Investopedia Team. (2021, March 05). Environmental, Social and Governance (ESG) Criteria. Retrieved from Investopedia: https://www.investopedia.com/terms/e/environmental-social-and-governance-esg-criteria.asp

Ung, T. A., & Urfe, M. N. (2021). ESG – Does it Pay in M&A? Bergen: Norwegian School of Economics.

Constantin Chrocziel_Senior Manager
Constantin Chrocziel
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